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Hans Karl Peterlini

Die spinnen, die Tiroler

 Für "Echo"/Innsbruck, anlässlich der Auseinandersetzung um die Bildung einer Holding zwischen Südtiroler Sparkasse und Hypo Tirol Bank, 2001/2002

Laudatio für Hans Haid

 

Gar zu scheinheilig dürfen wir, die wir jetzt pikiert über den Brenner schauen, nicht tun. Durch das Südtiroler Opernglas betrachtet, nimmt sich die Keilerei auf der Volksbühne Innsbruck recht anmutig aus: Welches Bein hat der Wendel dem Ferdl grad wieder gestellt? „Hat“ – nicht „ist“ wohlgemerkt, lautet die Tagesfrage - der Ferdl schon zurückgetreten, und wohin? Wer zückt grad hinter welchem Rücken sein Messer? Das Schauspiel hat einen seltenen Reiz – es bietet nach jedem Höhepunkt eine neue Steigerung. Also sei’s zugegeben: Wir Südtiroler, die immer geglaubt haben, wir selber seien ein streitbar Volk, erkennen und erschauern mit Lust: Die Nordtiroler sind ärger.

 

Die Nordtiroler. Das ist die zweite Scheinheiligkeit: Die Nordtiroler, von denen wir uns jetzt so schlecht behandelt, verschmäht, verunglimpft fühlen, diese Nordtiroler haben uns wenig gekümmert, zuletzt. Sie mögen sich „wir Tiroler“ genannt haben, aber wir fühlten, „mir sein mir, stärker als die Stier“. Die Operette, die Oper, das Mord- und Totschlagdrama in Tirol mag beweint werden als Tiefpunkt der Nord-Südtiroler-Beziehungen. Das ist es vielleicht auch. Aber es ist auch der Anfang einer neuen und sei es entsetzten, erwachenden, sich die Augen reibenden gegenseitigen Wahrnehmung: Jetzt erst, seit uns dieser Eberle die Hypo nicht aushändigen will, wissen wir, dass es einen Eberle gibt. Jetzt erst lesen wir in Echo und TT die Hintergründe der Tiroler Politik nach. Jetzt erst schauen wir überhaupt wieder über den Brenner, ohne dass wir nur im Dez einkaufen wollen oder dass wir uns so aufführen, als wären wir die bessere, sozusagen italienisch veredelte Ausgabe des homo tirolensis.

 

Jetzt wissen wir aber auch: Die liebenswürdige, lange schon blauäugige Vernarrtheit der Tiroler in uns Südtiroler ist ausgereizt, sie ist ein Restgut bei der Generation der Weingartners, der Stadlmayers, der Floras, der Pfaundlers (liebe Grüße über den Brenner). Südtirols Kredit ist aufgebraucht. Zu Recht, denn er ist einseitig überzogen worden von Südtiroler Seite, ohne dass wir je auf die Idee gekommen wären, nach so vielem Nehmen irgendwann auch geben zu können, und sei es nur Sympathie, Interesse, Neugier am anderen. Kaum waren wir nicht mehr das Volk in Not, haben wir uns abgenabelt: mit der eigenen Universität, mit dem eigenen Flughafen, mit dem eigenen Theater. Das war gewiss Nachholbedarf, aus dem Komplex heraus, dass alles, was „Landeseinheit“ ist, in Innsbruck war: Landesuniversität, Landesuniversitätsklinik, Landestheater, Landesflughafen. Die Europaregion wollte Luis Durnwalder, unser Eberle, aus dem neuen Kräfteverhältnis heraus machen, und das ist zumindest ein Gleichgewicht, wenn nicht ein Südtiroler Übergewicht – an Selbstbewusstsein.

 

Die Fratze, die uns jetzt aus Tirol entgegen grinst, ist unser Spiegelbild: Sicher war es nicht freundlich und nebenbei dumm, wie Südtirol als Land mit italienischen Verhältnissen dargestellt wurde (was, bitte, sind dann eure Tiroler Parteikrimis und Wiener Hofgaunereien?). Aber es war genauso unfreundlich und dumm, in welchem Ton Südtirol seine Ötzi-Rippen zurückfordert, als wären die Innsbrucker Primare ein Bande von Leichenschändern und Dieben.

 

Die Schlägerei war heilsam, hier wie draußen. Jetzt steckt bitte eure Taschenmesser wieder ein, und dann reden wir endlich von Tiroler zu Tirolern: über zu enge Räume, die in einer Europaregion größer würden, über das, was wir geben können, und bitte auch über die Bank. Sie wäre nach dem vielen Gedusel endlich was Bares.

 


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