Wohl ist die Welt so groß und weit ...
Heimat als Gegenentwurf zur Globalisierung – Chance oder Gefahr für die Föderalismusdebatte?
Kommentar zur Eröffnung eines Diskussionsforums des Instituts für Föderalismus, Innsbruck www.foederalismus.at
„Wohl ist die Welt so groß und weit und voller Sonnenschein, das allerschönste Stück davon ist doch die Heimat mein ..." Das Südtiroler Heimatlied von Karl Felderer hat einen eigenartigen Charme und eine schier magische Kraft: Wer in dieser Klangkulisse aufgewachsen ist, wer gesehen hat, wie bei politischen Versammlungen Väter und Mütter aufstehen und das Lied singen, mit leuchtenden und manchmal feuchten Augen, der mag sich noch so kritisch mit Heimat- und Identitätsverirrungen auseinandersetzen. Sobald er das Lied hört, mir geht’s zumindest so, zieht es ihn in seinen Bann.
Weder das Heimatlied noch Felderer verdienen Verklärung, es wurde in einer Zeit geschrieben, als alle Heimat gerade an deren Nationalisierung zerbrochen war, die große Monarchie, das kleine Tirol ... Und es feite weder Karl Felderer noch die meisten seiner Generation davor, die besungene Heimat für die Versprechungen des Tausendjährigen Reiches aufzugeben. Es ist in diesem Sinne eher ein Lied des Heimatverlustes, in dem Heimat als Sehnsuchtswelt allem Irdischen entsteigt.
Für jüngere Südtiroler ist das Lied vielleicht ein alter Hut, aber dafür schwenken sie in den flippigsten Diskotheken und schrägsten Partykellern ihre brennenden Feuerzeuge, wenn auf dem Höhepunkt des Fetens ein anderes Lied aufgelegt wird: „Dem Land Tirol die Treue" von Florian Pedarnig, mit neuen Strophen zusätzlich patriotisch aufgeladen. Was vor wenigen Jahren noch als alter Zopf gegolten hätte wie die Tiroler Landeseinheit oder das Bekenntnis zu Heimat und Geschichte, ist zur Jugendkultbewegung geworden, schrill aufgeputzt mit T-Shirts und allerlei anderem Tand.
Das kommt nicht von ungefähr. „Heimat" ist ein Gegenentwurf zur Globalisierung. Es bietet einen Mutterschoß an in einer Zeit, in der alle Illusionen von Geborgenheit und Verwurzelung weggerissen werden. Dieselben Jugendlichen, die über Facebook Freundschaften in der ganzen Welt schließen, die mit 20 weiter gereist sind als ihr Eltern das ganze Leben, die im Paradigma des long-life und und widelife learning sozialisiert werden, die sich auf mehrfache Berufswechsel einstellen müssen – diese Generation postmoderner Nomaden sehnt sich trotzdem oder deswegen nach ... Heimat.
Für die Föderalismusdebatte ist das eine große Chance mit manchen Gefahren. Nie war Föderalismus, wenn er endlich auch einer breiteren und jüngeren Öffentlichkeit übersetzt wird, so modern, so attraktiv, so mehrheitsfähig. Die Globalisierung ruft nach der Wiederentdeckung und Aufwertung der kleinen Räume. Was da von oben an Sicherheiten weggerissen wird, schafft Freiheiten auch nach unten. Umso wichtiger wird es sein, Föderalismus nicht als Rückzugspolitik ins Kleine und Feine zu verstehen, sondern als politisches Basiscamp für Horizonterweiterung und Weltbewusstsein. Das größer werdende Europa braucht nicht provinzielle Schutzräume, die sich ängstlich einer weiteren Integration entziehen, wohl aber regionale Kraftgebiete, die ihre Kreativität entfalten und nach außen bringen, die entgrenzte Welt braucht nicht eingezirkelte Kleinstaaten, sondern Regionen, die sich ihrer lokalen und globalen Verantwortung gleichermaßen bewusst sind. Damit Heimat kein letzter Rückzug, sondern ein immerwährender Aufbruch ist.